Am letzten Samstag Abend hatten wir “Ausgang” und es wurde spät und so hätte ich diesen Sonntag auch gerne einmal auf größere Koch-Umstände verzichtet und mich statt dessen mit einem guten (Koch)Buch theoretisch weitergebildet. Aber da war ja das Hirschfleisch. Extra für den Sonntag aufgetaut und das Rotkraut. Wenigstens dies, in weiser Voraussicht am Samstag Nachmittag vorgekocht. Also was soll’s. Wie war das? Wer feiern kann, kann auch… kochen.
Ich benutze gerne gefrorenes Wildfleisch. Ich hatte damit noch nie irgendwelche qualitativen Probleme. Das Rotkraut kommt mir, wenn zeitlich machbar, nur selbst gemacht auf den Tisch. Ich finde, der Aufwand lohnt sich. Ich muss aber zugeben, dass ich auch schon gefrorenes gegessen habe und nicht hätte schwören können, dass es fertige Ware war.
Für das Püree kommt nur das “Beste Kartoffelpüree der Welt” infrage, zumal es nicht mehr Aufwand ist. Vor allem Sonntags. Und das “Hmmmmmmmmmmmm, LECKER!, eine Eins mit tausend Sternen, Papa!” meines Sohnes, hat dies wieder bestätigt und mein Angeber-Ego schon mal sofort befriedigt.
Die Soße. Tja, da hatte ich etwas ausprobieren wollen aber vergessen die Chili-Schokolade einzukaufen. Also: Improvisieren. Wie wäre es mit Preiselbeeren? Die hätten auch gut mit einer schönen, in Weißwein geschmorten Birne gepasst, aber das hatten wir beim letzten Wildgang schon. Ich kenne meine Familie. Das hätte mir niemand vorgeworfen. Aber allein der Gedanke, dass sich irgendwo im Raum ein gedachter Satz wie “Irgendwie kommt mir das bekannt vor.” zusammenbraut, hätte mir den Appetit verdorben.
Für Vorspeise und Dessert hat aber an diesem Sonntag dem Kochs definitiv die Fitness gefehlt und so wurde es aber dann immerhin wenigstens ein durchaus schmackhafter Hauptgang.
Und hier das Rezept für etwa 4 Personen:
Zutaten
Für den Rotkohl:
1 kleiner Kopf Rotkohl
Johannisbeergelee (Menge nach Geschmack)
1-2 Blatt Lorbeer, 4 Wachholderbeeren, 2 Pimentbeeren, 4-6 Nelken, Salz
1 Stange Zimt
1 Zwiebel
2 mittlere Äpfel, vorzugsweise eine saure Sorte
Gekochte Maronen (Menge nach Geschmack)
100 ml Weißweinessig (oder weißer Balsamico)
100 ml Rotweinessig
1 Glas Rotwein
Butter- oder Gänseschmalz zum Anbraten
250 ml Wasser
Für das Kartoffelpüree:
ca. 800g Kartoffeln
200g Butter (mindestens)
Milch (Menge bis gewünschte Konsistenz erreicht)
Salz (Menge je nach Gefäß für die Kartoffeln)
Für die Preiselbeersoße:
250 ml Rotwein
100 mlPortwein
Preiselbeeren aus dem Glas
400 ml Wildfond (Glas)
Puderzucker
50-100 g eiskalte Butterwürfel
Evtl. Speisestärke oder Johannisbrotkernmehl zum Binden
Fleisch:
ca. 800 g Hirsch-Steakfleisch
Salz, Pfeffer, evtl. Wildgewürz aus der Mühle
Butterschmalz zum Anbraten
Zubereitung
Das Rotkraut habe ich, wie gesagt, schon am Vortag angesetzt. Es schmeckt aufgewärmt mindestens genauso gut. Dazu habe ich den geputzten Kopf (äußere Blätter weg) ohne den Strunk in dünne Streifen geschnitten. Man kann ihn auch hobeln aber wir mögen es nicht wenn die Streifen zu fein sind. Danach brause ich den geschnittenen Kohl mit kaltem Wasser ab.
Das Kraut habe ich sodann mit der Zwiebel im Schmalz angedünstet. Ich habe Butterschmalz genommen. Manche nehmen auch Schweineschalz. Das habe ich einmal probiert und es hat mir nicht gefallen. Zwar hat man es am Ende nicht herausgeschmeckt aber ich fand den Geruch irgendwie unangenehm in Verbindung mit dem feinen Rotkraut.
Nun muss das Kraut ziemlich bald mit dem Essig und dem Rotwein abgelöscht werden damit es seine schöne Farbe nicht verliert. Man sagt es bleibe immer ein wenig Restalkohol im Gericht wenn man Wein benutzt. Also nach 40 Minuten Kochzeit habe da so meine Zweifel. Dennoch kann man den Wein natürlich auch weglassen. Nach Wein und Essig, gebe ich nun auch noch das Wasser hinzu.
Da wir keine Gäste erwartet haben, habe ich die Gewürze einfach so mitgekocht und die Zwiebel in Steifen geschnitten mit angedünstet. Ansonsten würde ich die Gewürze, bis auf Lorbeer und Zimtstange, in ein Gewürzsäckchen tun damit kein Gast auf etwas beißt was er nicht mag. Uns macht es nichts – im Gegenteil.
Nun kommen die Gewürze und die Äpfel hinzu. Für ein Apfel-Rotkraut gehe ich normalerweise so vor, dass ich einen geschälten Apfel hinein reibe und den zweiten, gewürfelt, kurz vor dem Ende der Kochzeit hinzugebe. Da ich diesmal Maronen zum Rotkraut geben will, entscheide ich mich dafür beide Äpfel zu reiben weil ich mit den Maronen ja schon eine zweite Textur habe.
Nach ungefähr 40 Minuten ist das Rotkraut weich. Nun schmecke ich es noch mit Johannisbeergelee ab und, wenn es mir nicht säuerlich genug erscheint, kann ich auch noch ein wenig mit Essig nachhelfen. Hier bin ich gaaaanz vorsichtig und benutze einen Löffel als “Sicherheitsmedium”. Mir ist einmal der Verschluss einer Essigflasche beim Nachwürzen abgefallen. Gebranntes Kind scheut das Feuer ;-).
Für das Kartoffelpüree habe ich wieder mein Standardrezept “Bestes Kartoffelpüree der Welt” genommen. Drunter geht nicht.
Die Hirschsteaks sind einfach zuzubereiten. Ich brate sie in einer sehr heißen Pfanne von beiden Seiten in Butterschmalz scharf an, nehme sie heraus, pfeffere und salze erst jetzt und mahle Wildgewürz aus der Gewürzmühle darüber (letzteres muss nicht sein). Dann kommen die Steaks in den auf 120 Grad vorgeheizten Backofen auf den Rost. Eine Auffangschale lege ich darunter damit mir der austretende Fleischsaft nicht den Ofen verschmutzt. Wann man salzen sollte, darüber streiten sich sogar die Sterneköche. Pfeffer jedoch (und das Wildgewürz natürlich auch), da sind sich alle (bis auf Jamie Oliver) einig, verbrennt gerne in der heißen Pfanne. Dann werden Bitterstoffe frei. Das will ich vermeiden.
Sobald die Steaks im Ofen sind streue ich Zucker in die Bratpfanne und lasse diesen karamellisieren. Ich nehme Puderzucker weil das am schnellsten geht. Dann lösche ich den Karamell mit 1/3 des Rotweins ab. Den lasse ich ganz verkochen (unbedingt dabeibleiben) und wiederhole den Vorgang zwei mal. Dann kommt der Portwein an die Reihe. Auch wieder ganz einkochen lassen. Dann erst lösche ich mit dem Wildfond ab. Es lohnt sich unbedingt den Wein in mehreren Etappen hinzuzugeben und einkochen zu lassen. Geschmacklich liegen Welten zwischen dieser Methode und dem nur einmaligen Einkochen und zudem bekommt die Soße auf diese Weise eine wundervolle dunkle Farbe. Vor dem Anrichten werden erst die Preiselbeeren und dann die Butterwürfel eingerührt. Jetzt nicht mehr aufkochen. Wenn meine Soße dann noch zu flüssig sein sollte, kann ich mit Speisestärke nachbinden. Ich benutze dazu gerne Johannisbrotkernmehl.
Inzwischen sind die Steaks fertig gegart. Ich schneide eines an. Perfekt. Alles Steaks raus und ab in Alufolie.
Jetzt wird angerichtet: Für das Rotkraut entschließe ich mich zu einem Kochring. Dazu darf es dann aber nicht zu flüssig sein. Ich binde Rotkraut nicht gerne ab. In vielen Rezepten liest man das aber wir mögen die Konsistenz dann nicht so gerne. Also: Kurz in ein Sieb, dann erst ab in den Ring. Aus dem Kartoffelpüree forme ich mit zwei Löffeln Nocken die ich auf den Tellern platziere. Pro Person erst einmal zwei. Ich habe noch Radieschensprossen. Davon lege ich noch ein paar an die Kartoffeln an. Das garniert und schmeckt auch. Kleingezupfter Salat, Ruccola u.ä. tut hier aber auch seinen Dienst.
Dann kommen die Steaks. Auspacken, aufschneiden, auflegen. Ein wenig Soße über den Teller träufeln sieht besser aus als ein Soßenspiegel. Habe ich jetzt einfach mal so entschieden. Also reiche ich die restliche Soße in einer Sauciere. Gute Entscheidung. Sieht echt lecker aus. Und es schmeckt auch allen. Und weil ich mir beim Anrichten Mühe gemacht habe, bekomme ich schon gleich ein “WOW” von meinem Sohn vor dem ersten Bissen. Und nach den ersten Bissen auch ein Lob von meiner Frau. So is’ fein! Angeber-Herz was willst du mehr ;-).